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Havanna gibt keine Lizenzen mehr für neue private Restaurants aus
Update: wie Lutz (s. Kommentar unten) berichtet, ist das Verbot inzwischen wieder aufgehoben. Hoffen wir mal, das bleibt so 🙂
Seit kurzem ist es nicht mehr möglich, ein privates Restaurant in Havanna zu eröffnen, die Stadtverwaltung von Havanna erteilt keine neuen Lizenzen mehr. Das wird für viele Habaneros ein Schock sein, denn viele wollten von den Touristenströmen profitieren oder einfach Infrastruktur in ihrer Gegend schaffen – ganz abgesehen von den Auswirkungen auf den boomenden Tourismus.
Was sind Paladares
Für alle, die sich noch nicht gut mit Kuba auskennen, hier eine kurze Erklärung, was Paladares überhaupt sind. Paladares sind private Restaurants, die es in Kuba mehr oder weniger legal schon seit den 1990ern gibt. Seit den großen Reformbestrebungen um 2010 ist die Anzahl der Paladares massiv gestiegen, auf die Zahl von 1.700 im ganzen Land.
Waren Paladares in der Anfangszeit noch Räume in der privaten Wohnung, sind sie heute in der Mehrzahl normale, privat geführte Restaurants mit Angestellten. Mehr Details findet ihr hier bei Wikipedia.
Die offizielle Begründung für den Lizenzenstopp
Die offizielle Begründung für den Stopp der Ausgabe von Lizenzen lautet, dass Paladares illegale Aktivitäten fördern oder dulden, Prostitution, Drogenkonsum, Strohmänner, die die Läden betreiben und natürlich Steuerhinterziehung.
Während ich von den ersten beiden Punkten nichts mitbekommen habe, denke ich, Strohmänner und die Steuerhinterziehung sind wirkliche Probleme. Was ich persönlich weiß, ist die Steuermoral nicht nur niedrig, sondern eigentlich gar nicht vorhanden. Zusätzlich kommt dann sicher auch noch Korruption, so dass die Steuer, speziell die auf die Umsätze, im Allgemeinen nicht existent ist.
Zum Thema Strohmänner gibt es seit Jahren das Gerücht, dass McDonalds und Starbucks schon lange ihre Verträge für gute Locations in der Hand haben und nur noch auf den Startschuss warten.
Ressourcenknappheit
Die Paladares benötigen natürlich auch Essen und Getränke. Da es eigentlich keine Großmärkte gibt, kaufen die Besitzer natürlich in den normalen Läden ein, palettenweise Bier und TuKola. Darauf ist das System natürlich dann nicht eingerichtet. Und im Endeffekt handelt es sich ja auch nur um eine Verschiebung. Wenn die Paladares die Cola im Großmarkt kaufen würden, käme sie auch nicht in die Läden. Die Konsumbedürfnisse der Kubaner sind einfach gestiegen und wir Touristen wollen schließlich auch essen und trinken. Das Argument der Ressoucenknappheit ist also, genauer betrachtet, etwas schwachbrüstig.
Förderung der Ungleichheit
Nachgeschoben wird übrigens auch noch der Grund, dass die Paladares Ungleichheiten fördern und das ist bei den Verdienstmöglichkeiten als Paladarbesitzer durchaus logisch. Wenn man mal über den Daumen kalkuliert, dann macht selbst ein einfaches Bistro oder ein Straßenverkauf 2.000 – 3.000 CUC Umsatz im Monat. Kosten fallen nicht so viele an, die oben genannte Steuerhinterziehung einkalkuliert, dann hat der Besitzer mindestens 1.000 CUC übrig, mindestens! Ein größeres Restaurant ist dann schon mit über 10.000 CUC Gewinn dabei, gerüchtehalber sogar mit über 30.000 CUC. Im Monat!!!
Für alle, die das kubanische System nicht kennen: der offizielle Lohn liegt bei ca. 15 – 25 CUC, eine Familie kann ab 300 – 500 CUC einigermaßen gut leben.
Und da man sein Geld schlecht sparen oder investieren kann, wird das Geld verkonsumiert, d.h. die Nachbarn sehen direkt, wer mehr Geld hat, die Ungleichheit wird jedem unter die Nase gerieben.
Vergleich Berlin Kuba
Hier mal ein kleiner Vergleich, um das Problem in einen Zusammenhang zu rücken: Berlin hat etwa so viele Touristen wie Kuba, in Übernachtungen gemessen, und etwa 9.000 Restaurantbetriebe. Wenn ganz Kuba also 1.700 Paladares hat, dann füllen die staatlichen Restaurants garantiert nicht die Versorgungslücke und Engpässe sind systemimmanent.
Wenn man dann noch davon ausgeht, dass Restaurants in Berlin im Schnitt größer sind, wird die Divergenz erst richtig klar: es gibt in Kuba einfach zu wenige Restaurants, zumal die Zahl der Touristen sich wahrscheinlich noch verdoppelt!
Was wird kommen
Da es in Kuba eine Unmenge von Geld gibt, das nicht so leicht ausgegeben werden kann, wird es sicherlich zu vielen Übernahmen von Restaurants kommen – die Sache mit den Strohmännern wird sich noch verschärfen und es werden sich quasi Restaurantketten entwickeln. Die noch mehr Geld auf eine Familie vereinen.
Ebenso werden viele, die sich ihre Zukunft in Kuba ausgemalt haben und Besitzer eines Paladars werden wollten, nun wohl doch nach Miami oder Madrid wechseln und dort ihr Geld, ihre Zeit und ihre Kreativität investieren. Schade um den Verlust an Manpower!
Das ist nur meine Meinung als einfacher Volkswirt, aber ich finde meine Prognose ist nicht gar so unwahrscheinlich.
Ausblick
Es wird nicht besser werden mit den Versorgungsengpässen, wenn keine generelle Lösung auf höherer Ebene gefunden wird, der Verbot von neuen Paladares führt nicht zum Ziel.
Auf jeden Fall sind Restaurants, privat oder staatlich, Devisenbringer. Die Touristen müssen essen, in staatlichen Restaurants oder privat, sie lassen ihre Devisen also auf jeden Fall in Kuba. Nur sind viele Touris inzwischen nicht mehr bereit, für das Essen und den schlechten Service in staatlichen Restaurants viel zu viel Geld auszugeben. Die Paladares schickten sich an, hier eine Lücke zu schließen. Wenn es nun keine neuen Paladares gibt, dann gibt es auch für die Touristen weniger Anreize, nach Kuba zu kommen und ihr Geld dort zu lassen. Zusammen mit der obszönen Steigerung von Hotelpreisen könnten diese Maßnahmen also mittelfristig zu einem Rückgang der Touristenströme führen. Kurzfristig kommen zwar mehr Amis, aber in Deutschland macht sich schon ein gewisser Frust breit, der langfristig Kubas Touristenwachstum ausbremsen kann.
Für die Kubaner kommt es ein bisschen darauf an: ist das erst der Anfang der Entwicklung? Werden andere Bereiche auch beschränkt? Wenn nein, dann geht zumindest die ökonomische Entwicklung weiter bergauf – aber die Unsicherheit ist natürlich immer ein Stachel im Fleisch von Entwicklung: schließlich wurden in den 90ern durchgeführte Privatisierungsreformen auch später wieder kassiert, wer will da noch investieren? Die Unsicherheit führt auch hier wieder zu einem verstärkten Auswanderungsdruck und damit einem starken Brain Drain.
Nun, zum Abschluss, noch mein persönliches Statement, nicht als Volkswirt, sondern als Tourist: solange in Kuba die Sonne scheint, die Menschen freundlich sind und ich meinen Rum bekomme, wird mich all das nicht weiter stören – wenn ich die perfekte Versorgung will, dann fahre ich nach Malle und nicht nach Kuba. Ich jedenfalls werde weiterhin nach Kuba fliegen J
Saludos aus dem herbstlich-kalten Berlin,
Dietmar
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Jürgen B. Schmoltner
6. November 2016 — 20:09
Ein interessanter Bericht, vielleicht sollten sich die Kubaner mal die verschiedenen Entwicklungsmöglichkeiten des Tourismus in der Vergangenheit anschauen und dann für die eigene Bevölkerung das beste sich heraussuchen. Ich würde hier eindeutig die „italienische Lösung“ befürworte. Z.B. die Ferienorte Cattolica, Rivazurra Riccione usw an der italienischen Adria gefühlte Zehntausend kleine Familienhotels, die häufig sogar nur nach dem Hotel Garni Prinzip mit Übernachtung u. Frühstück geführt werden und maximal 50 Zimmer mit vielleicht 100 oder 120 Betten. Demzufolge gibt es in diesen Urlaubsorten, genau wie an der Riviera auch noch viele Gaststätten, und das Wichtigste, zum größten Teil familiengeführt, und kaum irgendwelche Ketten. z.B. hier http://www.adria.net/de/hotels/rivazzurra. Die meisten Hotels sind schon in den 60er Jahre gebaut worden, und haben damals sicherlich einen hohen Anteil am steigenden Wohlstand in Italien, so daß heute z.B. viele Hoteliers und Restaurantbetreiber z.B. nach Brasilien ausgewandert sind, um sich dort zur Ruhe zu setzen, oder ebenfalls dort Hotels betreiben. Als Negativbeispiel darf man hier die Türkei, die Dom Rep oder auch Tunesien und z.Teil auch Griechenland nehmen. Dort gibt es die großen All-Inclusive-Paläste, mit 500 oder mehr Zimmer, die von großen Touristikkonzernen errichtet wurden und die für die einheimische Bevölkerung nur schlecht bezahlte Hivie-Jobs bringen, da das Management aus Europa, oder den USA kommt. Die Anlagen gibts ja bereits auch in Kuba schon, sind vielleicht auch für den „gehobenen Tourismus“ notwendig. Aber in den oben genannten Ländern, wird ja auch der Pauschaltourismus mit derartigen Bettenburgen abgewickelt, mit dementsprechenden Folgen. Vielleicht gibt es ja geeignete Kanäle, diese Ideen der politischen Führung in Kuba nahe zubringen, es wäre ihr und dem kubanischen Volk zu wünschen. sich eher am Italien der 60er Jahre als an die Türkei, Tunsien oder der Domrep der 80er, 90er und 2000er Jahre zu orientieren.
Dietmar Fischer
7. November 2016 — 17:55
Hallo Jürgen,
das Beispiel mit Italien und den kleinen, dörflichen Pensionen finde ich hervorragend geeignet, das wäre fast schon sozialistisch, zumindest aber genossenschaftlich – und da fördert Kuba gerade intensiv. So kommt es zu keinen Zerstörungen der Sozialstruktur, keinen großen Machtkonzentrationen. Ich bin mir allerdings nicht sicher, dass das im Sinne von Kubas Regierung ist, momentan sieht es leider eher nach großen Hotels mit vielen Betten aus, wenn auch eher im gehobenen Segment, was die Neubauten angeht, aber dieser schöne Gedanke aus Italien wird wohl nur eine Vision bleiben.
Danke für deinen guten Kommentar,
Dietmar
Lutz Ledwon
11. November 2016 — 22:53
Hallo Dietmer,
das Verbot von neuen Paladares in Havanna wurde vor einigen Tagen aufgehoben, es gibt also wieder neue Lizenzen, die Nachricht ist hier in Deutschland, im Gegensatz vom Verbot, kaum verbreitet worden. So schnell kann es manchmal gehen.
Lutz.
Dietmar Fischer
12. November 2016 — 12:48
Hallo Lutz,
ich danke dir für die Info! Da ist dann ja doch jemand zur Vernunft gekommen – und ist auch wieder typisch, negative Nachrichten kriegen einfach mehr Klicks.
Ich werde deine Info gleich in den Artikel einarbeiten.
Saludos, Dietmar