Wo die Mafia in Havanna ihre Spuren hinterlassen hat
Die Mafia hatte sich, wie ihr wahrscheinlich wisst, Cuba ausgesucht, um dort ungestört ihren Geschäften nachzugehen – nahe an den USA, aber weit genug, um dem langen Arm des FBI zu entwischen. Im kubanischen Präsident Batista fand die Mafia den idealen Partner: Glücksspiel, Prostitution, Drogen, Geldwäsche, alles war möglich in diesem karibischen Paradies, das Batista mit harter Hand und zahlreichen politischen Morden kontrollierte.
Die zahlenden Kunden kamen zu Hauf, überwiegend von der dicht besiedelten Ostküste der USA. Kontrolliert wurden die Geschäfte mit den vergnügungssüchtigen US-Touristen von der italienischen Mafia sowie der Kosher Nostra um Meyer Lansky, letzterer war die Schlüsselperson der Mafia in Kuba: er war der einzige, der direkt mit General Batista verhandeln durfte.
Die Mafia-Locations in Cuba
Nun sind die Casinos lange geschlossen, aber was geblieben ist, sind vor allem die Mafia-Hotels, die ich euch heute in einem kleinen Rundgang beschreiben möchte. Die meisten hatten ein, das Deauville sogar 2 Casinos und auch sonst gibt es interessante Details: auf den Spuren der Mafia in Cuba!
1. Hotel Nacional – Mafia Hotel, in dem Frank Sinatra zum Mafia-Kongress auftrat
Sie alle gaben sich im Nacional die Klinke in die Hand, vor allem bekannt ist der große Mafia-Konferenz vom 22. Dezember 1946. In Cuba, weit weg vom Einfluss des FBI, traf man sich, um die Nachkriegsgeschicke der Mafia zu ordnen. Offizieller Anlass war ein Konzert von Frank Sinatra, der schon lange mit der Mafia in Verbindung stand. Auf dem Kongress wurde geklärt, wer welche Einflussgebiete haben sollte und Todesurteile wurden ausgestellt.
Meyer Lansky wollte im Nacional schon lange ein Casino etablierten mit einem Flügel für Luxus-Suiten, deren Bewohner direkten Zugang zum Casino hätten. Schließlich erlaubte Batista ihm endlich seinen Wunsch, gegen den erklärten Will einiger amerikanischer Expats wie Ernest Hemingway. 1955 schließlich wurde das Wilbur Clark Casino mit einer großen Show eröffnet, deren Star Eartha Kitt war.
2. Meyer Lanskys Hotel Riviera, das mit dem Sarg im Pool
Inspiriert durch das Riviera Casino in Las Vegas, ist das Riviera das erste eigene Meyer Lansky-Hotel in Cuba. Der Name weist übrigens darauf, dass die Mafia den Malecón zur kubanischen Riviera ausbauen wollte. Dafür wurde dann auch der Malecón bis zum Riviera und darüber hinaus verlängert.
Das Hotel wurde in nur 6 Monaten hochgezogen von Igor Boris Polevitzky, einem der Vertreter der Miami Modern Architecture, 8 Millionen Dollar wurden dabei direkt oder indirekt von der Mafia finanziert, 6 Millionen kamen als Kredite vom kubanischen Staat. Im Stile der Miami Modern Architecture wurden seit Mitte der 1930er Jahre vor allem in Miami (klar!) moderne Häuser gebaut, die an die tropischen Bedingungen angepasst waren.
Eröffnet wurde das Hotel am 10. Dezember 1957 mit einer großen Show, deren Hauptakt Ginger Rogers war. Meyer Lansky soll über ihre Darstellung gesagt haben: “Sie kann mit ihrem Hintern wackeln, aber nicht eine gottverdammte Note singen.”
Zu seiner Eröffnung hatte das Riviera das größte Casino außerhalb der USA – aber nur ein Jahr später zog das Havana Hilton an ihm vorbei. Warum Havanna? Meyer Lansky wollte nicht in Las Vegas bauen, da er in Cuba dem Zugriff der US-Behörden entzogen war.
Interessantestes Detail, das uns auf die Mafia im Riviera hinweist, ist wohl der sargförmige Pool. Von ebener Erde nicht zu erkennen, aber aus der Luft bzw. aus dem 21. Stock ganz deutlich:
Mit der Revolution endete Meyer Lanskys Traum, der König der Casinos in Cuba zu werden – und gerade in seinem Hotel, dem Riviera, hielt Fidel Castro die Pressekonferenz, in dem er über den Erfolg der Revolution berichtete.
3. Al Capone: Hotel Sevilla
Das älteste Hotel in unserer Reihe von Mafia-Locations, gebaut 1908 und erweitert 1924. Hier gingen eine Reihe der uns bekannten Mafiosi ein und aus – Meyer Lansky, Lucky Luciano und Co – da das Ambiente und das maurisch-andalusische Design auf viele anziehend wirkte.
Aber am wichtigsten für das Sevilla ist wohl, dass hier die frühere Generation der Mafiosi unterkam, namentlich Al Capone, der gewöhnlich den gesamten sechsten Stock mietete, um nicht gestört zu werden. Für Al Capone und seine Generation war Cuba der Anlaufpunkt, um den Rum-Schmuggel in die USA der Prohibitionszeit zu organisieren.
Wenn wir zu unserem nächsten Hotel gehen, nehmen wir den Paseo del Prado, Havannas Prachtstraßes: denn auf der Höhe des Sevilla, in Hausnummer 252, versteckte sich Meyer Lansky einige Zeit bei seiner Freundin Carmen, während Albert Anastasia Cuba einen Besuch abstattete, um seinen Anteil zu erhöhen. Dies ging am Ende nicht gut für Albert Anastasia aus, er wurde in New York beim Rasieren getötet. Meyer Lansky konnte nie etwas nachgewiesen werden.
4. Drogen und Porno: Hotel Deauville
Ein kurzer Spaziergang vom Sevilla führt uns zum 1958 gebauten Hotel Deauville, das direkt am Malecón steht und weithin sichtbar ist. Die alte Pracht ist lange verschwunden, ermöglicht uns aber noch gut eine Vorstellung des Designs, das 1958 vorherrschte. Es war das Hauptquartier von Santo Trafficante Jr., dessen Spezialitäten Drogen und Pornofilme waren. Das Deauville hatte nicht nur ein, sondern zwei Casinos. Eins davon gibt es nicht mehr, das andere ist in ein billiges Buffet-Restaurant umgewandelt worden, das nachts als Diskothek dient.
5. Der Montmatre Night Club
Erste Ausnahme in unserer Liste von Hotels ist der Montmatre Nachtclub, der seinerzeit der luxuriöseste Nachtclub in ganz Amerika war – natürlich im Besitz der Mafia – und in einem Atemzug mit dem Tropicana genannt wurde. Das Gebäude ist inzwischen abgebrannt, hier seht ihr bei Google Maps, das davon übriggeblieben ist:
Das Montmatre war der einzige Indoor-Nachtclub und zudem sehr günstig gelegen, direkt im Vedado. Zum Tropicana brauchte es erst eine 20-minütige Autofahrt. An den Tischen mussten mindestens $4,50 konsumiert werden, an den zwei Bars gab es keinen Mindestumsatz (1956).
6. Der Präsidentenpalast
Nun laufen wir ein Stück in Richtung Prado, zu unserer zweite Ausnahme – kein Hotel – dem Präsidentenpalast, heute das Museum der Revolution. Denn was wäre die Mafia ohne Präsident Batista gewesen, der seine schützende Hand über die Mafiosis hielt – und dieselbe Hand auch kräftig aufhielt. Je nach Schätzungen landeten 10 bis 30 Prozent der Spielgewinne in seinen Taschen, genaue Unterlagen gibt es natürlich nicht 😉
7. JFK im Hotel Commodoro
Nun bewegen wir uns etwas weg vom Zentrum Havannas, Richtung Miramar. Und dort folgen wir den Spuren von JFK, denn Kennedy war auch in Cuba – natürlich bevor er Präsident wurde und die Invasion in der Schweinebucht verantworten musste. 1957 war er als Gast von Santo Trafficante Jr. im Hotel Commodoro in Miramar, in der sogenannten Erpressungs-Suite. Das besondere an dieser Suite: es gab einen Spionagespiegel, durch die Erpressungsvideos gedreht wurden. Nun hatte Santo Trafficante in diesem Moment keine Kamera am Start und es wird gesagt, er hat sich später darüber noch schwarz geärgert, denn JFK veranstaltete in der Suite eine Orgie, soviel ist zumindest überliefert.
8. Das Hilton Havana: Mordversuch an Fidel
Selbst kein Mafia-Hotel – obwohl natürlich auch mit Casino geplant – ereignete sich im Habana Libre der letzte Akt der Mafia-Geschichte auf Cuba. Denn dort soll der wohl aussichtsreichste Anschlag auf das Leben von Fidel Castro stattgefunden haben, berichtete der kubanische Geheimdienstchef Fabian Escalante. Fidel trank dort regelmäßig einen Schokoladenmilchshake und dort sollte ihm eine Giftpille hineingeschmuggelt werden, orchestriert von der Mafia und der CIA. Nur fror die Pille im Gefrierfach der Küche fest und beim Versuch, sie zu entfernen, zerbrach sie – so entging Fidel Castro wieder einmal einem Mordanschlag.
Meyer Lansky und die Kosher Nostra
Meyer Lansky, der Pate Cubas
Die Mafia in Cuba war nicht italienisch, zumindest nicht nur, sondern sie wurde geführt von Meyer Lansky und der “Kosher Nostra”, einem jüdischen Ableger der Mafia.
Und Meyer Lansky hatte es in sich, er dominierte Cuba zu einer Zeit, als dort Glücksspiel, Prostition und Drogenhandel florierten. Zusätzlich zu seinen harten Maßnahmen – er schreckte auch vor Mord nicht zurück – war er auch ein kluger Geschäftsmann. So ging er z.B. gegen Betrug beim Glücksspiel vor, sah er doch, dass Betrug nur den Ruf verderben würde und ehrliches Glücksspiel auch so extrem lukrativ ist – es gewinnt ja eh immer die Bank! Es reichte also völlig aus, die Bank zu kontrollieren.
Deshalb auch das Hotel Riviera! Dann wenn es ausreicht, die Bank zu kontrollieren, dann braucht man eigentlich nur ein Casino, das man selbst betreibt.
Dass legales Glücksspiel natürlich nicht die einzige Einnahmequelle der Mafia und Meyer Lanskys war, sieht man dann wieder am sargförmigen Pool (s.o.)
Meyer Lanskys phänomenales Gedächtnis
Meyer Lansky wurde übrigens nie verurteilt. Neben seiner Fähigkeit, sein Vermögen gut zu versteckten, war dafür sein unglaubliches Gedächtnis verantwortlich. So gab es zu allen mafiösen Abmachungen, die er vereinbarte, keine schriftlichen Aufzeichnungen. Die Details behielt er alle im Kopf – das FBI konnte ihm deshalb später nie etwas nachweisen.
Flucht aus Cuba
Meyer Lansky glaubte noch bis kurz nach der Revolution, er würde Fidel Castro und die Revolutionäre noch dazu bringen, das Glücksspiel weiterhin zu erlauben – ging es doch überwiegend an die Geldbeutel der US-Amerikaner und nicht der Kubaner. Außerdem hatte man den Revolutionären kräftig Geld gespendet und damit ihre Revolution mitfinanziert! Ihr kennt das vielleicht auch aus anderen Mafia-Zusammenhängen, z.B. in den USA: beide Seiten, Demokraten und Republikaner, werden gleichermaßen unterstützt, so dass die Mafia immer gewinnt, wer auch immer das Rennen macht.
Nun ließen sich die Revolutionäre aber nicht auf Meyer Lansky ein, so dass er wenige Tage nach der Revolution heimlich Cuba Richtung USA verließ. Dort lebte er – offiziell – in bescheidenen Verhältnissen bis an sein Lebensende.
Drei Sachen am Rande
Casino-Liste
Beim Recherchieren nach Mafia-Locations in Cuba bin ich auch auf eine Liste von Casinos in Havanna gestoßen – alle geschlossen, versteht sich! Wenn ihr auf die Namen der Casinos klickt, bekommt ihr die Jetons angezeigt, die dort ausgegeben wurden:
Und hier findet ihr noch einige Bilder zu Havannas Casinos:
La Casa de Al
In Varadero gibt es einen Paladar mit dem schönen Namen La Casa de Al. Und obwohl Al Capones Organisation von Varadero auch Rum in die USA verschifft hat, war er nie in der nach im benannten Casa – wie auch ein kleines Schild am Eingang verrät
Spieletipp für Silvester: Mafia de Kuba
Wer Silvester mit vielen Freunden verbringt, dem empfehle ich zum Thema noch „Mafia de Cuba“ von Lui-Même. Ein schön aufgemachtes Partyspiel für 6 – 12 Spieler, das sich mit dem Mafia-Thema beschäftigt und schön mit einer Havanna im Mundwinkel gespielt werden kann, denn das Spielmaterial passt sich wunderbar in unser Thema ein. Eine ausführliche Rezension findet ihr beim Bretterwisser.
Das Mafia Paradies – Kuba vor der Revolution
Der wohl beste Dokumentarfilm über die Aktivitäten der Mafia in Havanna, bis hin zur Idee, die Insel zu teilen in den reichen, regierungstreuen Westen und den Osten, von dem die Revolutionen ausgehen.
Kleine Anekdote am Rande: als ich Peter, den Regisseur, in Havanna kennengelernt habe, hatte ich 15 Minuten begeistert über diese Doku geredet. Und erst danach gab er sich als der Regisseur zu erkennen – zum Glück hatte ich nur Gutes über die Doku zu erzählen… 😉
Fazit meiner Mafia-Tour
Havanna war die Mafiastadt und einige Spuren findet ihr immer noch dort. Wenn ihr also mal wieder in Havanna seid: schaut euch ein bisschen um und stellt euch vor, wie es damals war. Die Autos passen ja noch, also die Augen ein bisschen zusammengekniffen und durch die Straßen flaniert 😉
Und wer sich jetzt noch mehr für die Mafia in Cuba interessiert, dem lege ich das Buch “The Mafia in Havana: A Caribbean Mob Story” ans Herz, den der Autor, Enrique Cirules, war der wohl beste Mafiakenner Cubas. Das Buch gibt es auf spanisch und englisch, leider nicht auf deutsch.
Ich wünsche euch eine schöne Zeit in Cuba
Euer Dietmar
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